Greifswalder Innenstadt
STADT-GESCHICHTE NR. 3
Bild 1: Luftaufnahme mit der Stadthalle um 1930
Im Juni 1913 startete der Bau der Greifswalder Stadthalle.
Am Magistratstisch der Sitzung des bereits erwähnten bürgerschaftlichen Kollegiums, das am 28.2.1913 tagte, saßen: Bürgermeister Dr. Gerding, die Ratsherren Düsing, Fleischmann, Fielitz, Gabbe, Prof. Müller I, Dr. Mueller II, die Herren Rosske und Schmidt. Vertreter des Stadtbauamtes waren Stadtbaumeister Haas und Stadtbauassistent Bastel. Wie gesagt, ein Theater war im Bau mit inbegriffen. Von der Anklamer Straße aus waren das Restaurant und das Billardzimmer zu erreichen, von der Moltkestraße aus, heute Robert-Blum-Straße, gelangte man in das Cafe und die Nebenräume. Natürlich gab es in den verschiedenen Bevölkerungsschichten auch eine Diskussion: braucht Greifswald so etwas und dazu noch ein Theater? Die Finanzierung gestaltete sich natürlich auch nicht so einfach, wie sollten die Mittel für diesen Bau aufgebracht werden? 100.000 DM standen zur Verfügung, der Rest sollte auf dem Weg der Anleihe beschafft werden, die Einnahmen aus der Pacht der Stadthalle wurden bereits so halbwegs einkalkuliert, das Theater wollte die Stadt in eigener Regie behalten. Die Übergabe des Baues sollte am 1.10.1914 erfolgen.
Man kam auf die Idee zur Finanzierung ein Stadthallenfest zu veranstalten, welches dann auch am 7. und 8.6. 1913 stattfand. Am Sonnabend den 7. Juni begann das Stadthallenfest auf dem Schützenplatz und im „Greif“ mit einem Kinderfest. Um 14:00 Uhr versammelten sich die Jugend und Kinder auf dem Exerzierplatz. Von hier aus führte der Marsch durch die Stadt zu der Budenstadt auf dem Schützenplatz, auf dem Hilfskräfte unter anderem Postkarten und Blumen für die Finanzierung des Stadthallenbaus verkauften. Ab 15:00 Uhr startete ein großes Konzert. Schieß- und Würfelbuden, Bier-und Limonadenzelte lockten Groß und Klein auf den Festplatz. Kinder unter zehn Jahren brauchten keinen Eintritt bezahlen. Der Spielabteilung des Turnerbundes wurde die Veranstaltung eines Fußballspieles auf dem Exerzierplatz übertragen. Es beteiligten sich der FC Concordia I Stralsund, SC „Greif“ I und der Turnerbund mit seiner Leipziger Auswahlmannschaft. Dieses Spiel fand am 8.6. von 14:00 bis 18:00 Uhr statt. Die Einnahmen aus dem Stadthallenkonzert, veranstaltet vom Orchesterverein, kamen komplett dem Stadthalleneubau zugute.
Bild 2: Das Stadthallencafé um 1930
Am Sonntag begann mit dem Konzert der Stadtkapelle um 11:00 Uhr ein großer Frühschoppen auf dem Markt, eingeleitet durch einen festlichen Umzug der Bürger-und Studentenschaft. Auch hier, auf dem großen Markt, war ein reichhaltiges Buffet aufgebaut. Konditoreien, Wein- und Bierverkaufsstände sorgten für das leibliche Wohl, auch ein Tanzboden war auf dem Platz aufgebaut. Im Rathaus spielte eine Damenkapelle auf. Um 15:00 Uhr wurden die Festlichkeiten auch im Logengarten eröffnet, gleichzeitig ging der Trubel auf dem Fischmarkt und auf dem Rossmarkt weiter. Der Gasthof „Zum Lindenwirt“, Rossmarkt 1–3 lud zu einem großen Volksball, der gegen 20:00 Uhr beendet war. Das war nun auch das Ende des alten Gasthofes!
Nun ging es stramm voran. Erfreulicher Weise waren Greifswalder Firmen für den Bau des Gebäudekomplexes besonders berücksichtigt worden. Auch die Kleinbahn Greifswald-Wolgast (KGW) trug ihren Teil dazu bei und übernahm Transporte von Baumaterialien zur Baustelle der Stadthalle. Die Kleinbahn fuhr bekannterweise durch die Lange Reihe über den Rossmarkt in die Wolgaster Straße. Bis September 1913 wurden einige Meter Gleis vom Rossmarkt zur Baustelle gelegt, die Anfang 1914 wieder abgebaut wurden. Der Eröffnungstermin konnte nicht ganz eingehalten werden, aber am Donnerstag den 10.12.1914 um 20:00 Uhr wurde die Stadthalle feierlich eröffnet. Ein Prolog, gedichtet von Georg Engel, gesprochen von Rosa Hoppe aus Berlin und die Ansprache des Bürgermeisters Dr. Gerding eröffneten die Festveranstaltung. Es war nicht eine Eintrittskarte mehr zu bekommen und die Gäste erlebten einen Abend mit vielseitigen musikalischen Darbietungen. Eintrittskarten gab es für 1,20 M und 2,20M; „die konzertbesuchenden Herren werden gebeten, möglichst im schwarzen Anzug zu erscheinen.“ Der erste Pächter der Stadthalle war ab 1.11.1914 Hugo Broszkus aus Cottbus. Nun muss man bedenken, dass die Eröffnung der Stadthalle in Kriegszeiten fiel und das bescherte dem Pächter einige Schwierigkeiten, so das er am 1. Oktober 1915 um finanzielle Unterstützung durch die Stadt bat, da keine ausreichenden Einnahmen flossen. Um die Stadthalle nicht kurz nach der Eröffnung wieder schließen zu müssen, erließ die Stadt ihm die Pacht. Der Betrieb dümpelte so leise vor sich hin, aber der Magistrat setzte sich auf einer Versammlung am 11.4.1916 für die Weiterführung des Stadthallenbetriebes ein. Am 10.10.1916 wurde auch ein Theater- und Kinobetrieb in der Stadthalle eröffnet. Wieder wandte sich Broszkus an die Stadt, da er in Kriegszeiten keine Gewinne machte und die monatliche Pacht von 200,- M nicht aufbringen konnte. Er erklärte sich bereit, zum 1.1.1917 den Vertrag aufzulösen, es wurde aber eine Verlängerung bis zum 31.3.1917 vereinbart. Die Geschäftsbücher von Herrn Broszkus wurden mehrfach kontrolliert, um eine weitere Unterstützung durch die Stadt bewilligen zu können, vor allem die Heizung machte Probleme. Das mit der Heizung wird über die Jahrzehnte ein Dauerproblem bleiben! Die Stadt warf dem Wirt zudem Vertragsbruch vor. In einem Schreiben hieß es: „dass sich Publikum in die Stadthalle gewöhnt habe, dass nicht in den Rahmen eines vornehmen Restaurants und Cafés hineingehöre“. Natürlich widersprach der Pächter, indem er darauf hinwies, dass er durch den Krieg in Schwierigkeiten sei und daher Einlass für Publikum aller Art gewähre, um seine Einnahmen zu sichern. Er bat um Aufhebung des Vertrages, verkaufte sein selbst angeschafftes Inventar an die Stadt, durfte aber bis 30. 9.1918 in der Stadthalle bleiben, daraufhin übernahm Karl Lange den Betrieb des Hauses.
Greifswalder Stadtgeschichte(n)
Ausgabe Nr.2
Dieser Text ist ein Auszug aus der zweiten Ausgabe der Greifswalder Stadtgeschichten. Die gesamte Ausgabe können Sie bei Hugendubel am Markt kaufen oder direkt beim Verlag bestellen.
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